Die Segelszene am Bodensee erlebte am Freitag einen besonderen Höhepunkt, als Kirsten Neuschäfer, die gefeierte Siegerin des renommierten Golden Globe Races, im Yacht Club Bregenz zu Gast war. Die südafrikanische Seglerin, die durch ihre herausragenden Leistungen und ihr tiefes Verständnis für die Herausforderungen der Hochseesegelwelt bekannt ist, hielt einen inspirierenden Vortrag über ihre Erfahrungen und Abenteuer während des Rennens.
Bobby Schenk gab eine Einführung in das Einhandsegeln um den Globus. Das erste Rennen dieser Art, das Golden Globe Race, fand im Jahr 1968 statt. Inspiriert von der Leistung des britischen Seglers Sir Francis Chichester, der als erster allein die Welt umsegelte, jedoch mit einem Zwischenstopp in Sydney, wollten die Organisatoren des Golden Globe Race die Latte noch höher legen. Sie forderten die Teilnehmer heraus, die Welt nonstop zu umsegeln, was noch niemand zuvor geschafft hatte.
Das Rennen startete und endete in Falmouth, England, und wurde berühmt durch die dramatischen Erlebnisse seiner Teilnehmer, insbesondere durch Sir Robin Knox-Johnston, der als einziger von neun Startern das Rennen beendete und somit der erste Mensch wurde, der nonstop und alleine die Welt umsegelte. Bernard Moitessier sein einziger ernsthafter Konkurrent, beschloss nicht nach England zurückzukehren und das Rennen zu beenden. Er fühlte sich in tiefer Verbindung mit dem Meer und wollte diese nicht für Ruhm oder einen Rekord aufgeben und segelte weiter und umrundete den Globus eineinhalb Mal, bevor er schließlich in Tahiti landete. Bobby erzählte von einer persönlichen Begegnung mit ihm in Tahiti zu dieser Zeit.
Die Strapazen der Segler, wie der mentale Zusammenbruch von Donald Crowhurst, der unter dem Druck der Isolation und des Wettbewerbs falsche Positionsangaben sendete und letztendlich verschwand, zeigten die extremen psychologischen Herausforderungen dieses Unterfangens. Das Golden Globe Race blieb aufgrund seiner dramatischen Geschichten und der außergewöhnlichen Leistungen der Teilnehmer in Erinnerung und inspirierte eine neue Generation von Seglern, sich diesem ultimativen Test der Seefahrt zu stellen.
Kirsten Neuschäfer setzte nun neue Maßstäbe in der zweiten Wiederauflage des Golden Globe Race 2022/23, einem der anspruchsvollsten Einhandsegelrennen der Welt. Das Rennen verlangt von den Teilnehmern, die Welt nonstop, ohne moderne Navigationshilfen und ausschließlich mit Ausrüstung, die vor 1968 verfügbar war, zu umsegeln. Es ist also kein GPS, Internet, Smartphone etc. erlaubt, einzig ein Satellitentelefon für Notfälle ist zugelassen. Navigiert wird wie früher mithilfe des Sextanten und Papierkarten.
Kirsten liebte schon immer das Abenteuer. Im Alter von 22 Jahren radelte sie allein von Europa zurück nach Südafrika (15 000 km in etwa einem Jahr). Sie reiste durch den Nordwesten und Zentralafrika ins südliche Afrika und endete schließlich in Cape Agulhas, wo sie beschloss mit dem Blauwassersegeln zu beginnen.
Nach verschiedensten Überführungsturns rund um den Globus und Expeditionen in die Antarktis, kaufte sie ihr Schiff Minnehaha in Kanda. Auf Prince Edward Island, Nova Scotia, wo sie beim ersten Turn wegen des schlechten Wetters ungeplant festmachte, fokussierte Neuschäfer sich darauf, ihr Segelboot, eine traditionell konstruierte Yacht, die den Regeln des Rennens entsprach, zu optimieren. Die Vorbereitungen umfassten umfangreiche Überholungen des Bootes, einschließlich der Verstärkung des Rumpfes und Riggs sowie der Installation von sicherheitsrelevanten Ausstattungen. Die Gemeinschaft der Insel, unterstützte Neuschäfer stark, im Speziellen der Bootsbauer Eddie Arsenault, um sicherzustellen, dass kein Detail in ihrer Vorbereitung übersehen wurde. Nach einer Jungfernfahrt von Kanada nach Südafrika ging der nächste Schlag über Spanien nach Frankreich zum Start des Golden Globe Race.
Von Les Sables-d’Olonne, Frankreich, aus segelte Neuschäfer im Rennen dann durch einige der anspruchsvollsten Gewässer des Planeten. Die Route führte sie um das Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin und das gefürchtete Kap Hoorn.
Ein prägender Moment ihrer Reise war die Rettung eines Mitbewerbers. Das Boot ihres Mitstreiters Tapio Lehtinen war plötzlich gesunken, und der finnische Segler trieb in der Rettungsinsel weit vor der Spitze des afrikanischen Kontinents. Neuschäfer änderte den Kurs, segelte einige hundert Meilen zur angegebenen Position und fand die kleine Rettungsinsel in dem riesigen, wogenden Ozean und trank ein Glas Rum mit Lehtinen, bevor sie ihn sicher auf einen riesigen Massengutfrachter umsetzte, der sich auch an der Rettung beteiligte.
Auch nach der Rettung von Lehtinen behielt Neuschäfer die Führung in dem gefährlichen Wettbewerb, bei dem schließlich 13 von 16 Teilnehmern aufgeben mussten.
Trotz der extremen Wetterbedingungen, Muschelbeschlag am Rumpf, langen Flauten, riesigen Wellen und heftigen Stürmen zeigte Neuschäfer herausragendes Geschick und Beharrlichkeit und gewinnt das Rennen, was ihr bis zum Zieleinlauf nicht bewusst war. Bei der Rundung um Kap Hoorn hatte sie jedoch via Funkkontakt zu einem Leuchtturmwärter erfahren, dass sie in Führung liegt.
Als sie am 27. April 2023 die Ziellinie in Les Sables d’Olonne, Frankreich, überquerte – nach 30 000 Meilen und 235 Tagen, in denen sie ihr Boot, außer für Schwimmübungen in der Flaute, nicht verlassen hatte – war Neuschäfer die erste Frau, die eine Weltumsegelung gewann, egal ob mit Crew oder allein, bei der es darum ging, die drei großen Kaps am Ende der Welt zu umsegeln.
Die Atmosphäre im bis auf den allerletzten Platz besetzen Yacht Club war elektrisierend und die Zuhörer:innen waren sich einig, dass Bobby Schenk wohl Recht hatte, als er am Ende des Vortrags sagte, dass er über 200 Segelvorträge gehört habe, inklusiver seinen eigenen, dies aber sicherlich der beste war.
Mitglieder des Yacht Clubs und Gäste aus der regionalen Segelgemeinschaft nutzten dann noch die Gelegenheit, mit der vielleicht besten Blauwasserseglerin unserer Zeit ins Gespräch zu kommen. Fragen aus dem Publikum reichten von technischen Details ihrer Segeltechnik bis hin zu persönlichen Ratschlägen für angehende Globetrotter.
Neuschäfers Besuch im Yacht Club Bregenz war zweifelsohne ein Highlight der Saison und hinterließ eine bleibende Inspiration für alle, die das Privileg hatten, dabei zu sein. Ihr Einfluss auf die Welt des Segelns und ihre Fähigkeit, Menschen zu inspirieren, ihre eigenen Grenzen zu überschreiten, wird noch lange in Erinnerung bleiben. Sie ist definitiv ein Rockstar des Blauwassersegelns.
Vielen Dank an Bobby Schenk sowie die GfS und den VLSV für die Organisation!