Mit der GfS Yacht BRIGANTIA von Tampa (FL) nach New Orleans (LA) (25.3. bis 8.4.2023)

Es findet sich eine hoffnungsfrohe Runde reiferer Herren in St. Petersburg im Herzen der Tampa-Bay zusammen, um mit der BRIGANTIA den langen Weg von annähernd 600 sm nach New Orleans zu suchen. Vor uns liegt zunächst der Rest des Florida Panhandle (v. Pfannenstiel) der Boatpeople wie uns wenig herzugeben scheint.

Die BRIGANTIA mag ein wunderbares Schiff sein, und das ist sie auch, aber für diese Gegend ist sie wenig geeignet. Eine Nummer kleiner mit max. 6 ft Tiefgang und 50 ft Masthöhe ginge gerade noch rein in den Gulf Intra Coastal Water Way und unter den vielen Brücken durch. So aber müssen wir leider draußen vor den vorgelagerten Sandbänken bleiben und auf Einlass in einem der wenigen für uns befahrbaren Inlets hoffen. Zu allem Überdruss sind sehr viele Häfen von den letzten Hurricans zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Wir kommen uns vor wie Findelkinder, die nirgends aufgenommen werden. Wir vermissen die amerikanische Hilfsbereitschaft. Nein, wir erfahren keine Ablehnung, aber völliges Desinteresse Fremden gegenüber. Die Leute scheinen mit sich und den vielen unfertigen Dingen überfordert zu sein.

So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in sehr langen Schlägen mit mehreren Nachtfahrten vorwärtszuarbeiten. Vorbei an Carabelle, St. John und Panama City setzen wir erstmals in Pensacola Fuß auf den Boden von Louisiana. Liegeplätze sind rar, doch mit hartnäckiger Höflichkeit geht dann doch etwas. In der großen Bucht trainiert die „American Magic“ für den Americas Cup, fliegt foilend mit >42 kn an einer Hundertschaft von regattierenden Jugendjollen vorbei. Der Wind pfeift uns mit 6-7 Bft um die Ohren. Hier fragt man nicht nach der Länge des Boots oder der Größe des Spinackers. Nein, das einzig interessante ist die Horsepower. Mit unseren 110 PS machen wir keinen Stich. Übrigens: obiger Cuper wird von 3 Speedbooten mit jeweils einem 4er Pack an Außenbordern mit gefühlten je 100 PS begleitet. Die Motorboote haben Mühe zu folgen.

Downtown Pensacola hat seinen ursprünglichen Tramper-Charme erhalten. Idyliische Holzhütten formen das alte Zentrum und leisten der modernen amerikanischen King-Size Architektur trotzig Widerstand. Das 2-tägige örtliche Jazzfest bekommen wir leider nur am Rande mit, müssen wir doch weiter. Zur abschließenden Stärkung finden wir uns bei der Würstelbude „The Taste Of Germany“ ein und lassen uns willig die Besonderheiten erklären. Würstel, Kraut und Leberkäs, Gulasch, Brez‘n und Erdapferlsalat. Besonders stolz ist der Besitzer Hans (so war wohl sein Rufname) auf seine Erfindung Brezel mit Pizzabelag. Wir verabschieden uns ohne gekostet zu haben mit einem Prost & Mahlzeit und reiten auf den Wellen des Golfs von Mexiko weiter nach Biloxi.

Auf dem Weg dorthin erleben wir unendlich weite weiße Sandstände mit Wanderdünen, auf denen seltene Vogelarten brüten, wir sehen Rochen und Strandläufer und die Delfine weisen uns den Weg durch die seichten Gewässer.

Bisher war nicht viel los, doch das Blatt wendet sich schnell: zuerst ein riesiges Feuerwerk, das uns als einzigem Boot im Golf zu gelten schien. Dann 2 massive Feuer an Land die bis weit aufs Meer hinaus ihre Duftnote entfalten. Bizarre Lichtermeere zahlreicher riesiger Ölplattformen weisen uns anstelle der Sternenbilder den Weg durch die Nacht. Tagelang kein Schiff und plötzlich haben wir eine scheinbar unkontrolliert manövrierende Fischerflotte von 20 Booten auf engstem Raum auf dem Radar. Es folgt eine kurvenreiche Strecke durch den Mississippi Sound nach Biloxi, wo wir neben dem Schoner „Harvey Gamache“ zu liegen kommen. Wir bestaunen das tolle Schiff, doch auch dessen Bootsmann hat uns bereits lange ausgemacht. „Was, ihr segelt eine Halberg Rassey 48! Toll, davon träume ich schon immer“. Wir tauschen unsere gegenseitigen Nettigkeiten über die beiden Boote aus und freuen uns, wenigstens hier einen Segler getroffen zu haben.

Es wird ernst: die nächste Etappe führt uns weiter durch den Sound über den Rigolet-New Orleans Cut in die Stadt unserer Träume. Die Anspannung ist nicht nur wegen der flachen Anfahrtsschneise und der unsicheren Tiefenangaben aus der Literatur hoch, es steigen auch unsere Erwartungen an die kommenden Erlebnisse in „The Crescent City“. Ein letztes mögliches Bad im Meer verkneifen wir uns wohlweislich. Und tatsächlich: ein 4 mtr großer Alligator kreuzt unsere Bahn. Die Aufregung bei uns ist groß, ihn scheint es nicht zu kümmern. So behutsam wie er gekommen war, so desinteressiert zieht er dahin. Weiter geht es den Mississippi hinauf, vorbei an rostigen Fabriksanlagen für Zucker und Bier. Nach dem finalen und etwas eigenwilligen lokalen Brückenmanagement und nach den üblichen Reparaturarbeiten an Bord putzen wir uns heraus und machen uns auf die letzte kleine aber wichtige Etappe.

Kaum dem Taxi entstiegen sind wir schon mitten drinnen in der Frenchman Street. Der erste Eindruck ist umwerfend: überall tönt Musik, überall Party und überall liegt ein etwas süßlicher Geruch in der Luft. Ersteres ist schon mal gut. Wir finden unseren Weg durch den French Market, vorbei an unzähligen Voodoo Läden, raus zum Mississippi wo die das Ortsbild prägenden Raddampfer liegen. Ein erstes Begrüßungsfoto mit dieser herrlichen Kulisse. Ja, jetzt sind wir angekommen! Um es exakter zu sagen, wir sind beinahe angekommen. Da fehlt doch noch etwas: der New Orleans Jazz. Ziel- und treffsicher finden wir trotz dem Chaos der Stadt die 3 Hotspots der Szene; Preservation Hall, Fritzel’s European Jazz Pub und die Maison Bourbon. Allesamt Hüter der guten alten Tradition. Nach kurzer Zeit schon sind wir gern gesehene Stammgäste, denen sogar ein Musikwunsch erfüllt wird. Hier haben wir unsere Ruhepole für weiteren Stadterkundungen gefunden und genießen die Musik, die wir so lange erseht haben.

Draußen auf der Bourbon Street geht es ganz anders zu: Beiz an Beiz, in jedem Lokal volle Kanne Musik, Karaoke Bars, Straßenmusikanten, Rotlicht, durchgeknallte Typen, Geschrei, Prediger, Voodoo Priester, Drag-Quens, DJs, alles auf engstem Raum und immer in voller Lautstärke. Gut, dass wir diesem Amalgam an Lebensfreude immer wieder in unsere Oasen der relativen Ruhe entfliehen können.

Extrem gutes Essen, eine abendliche Riverboatshuffle auf der „Creole Queen“ und eine Fahrt ins Grüne mit der alten Tram durchs noble Villenviertel mit wunderbarem Südstaaten Flair runden unsere tolle Zeit in New Orleans ab.

Zusammenfassend darf man sagen: der Weg hierher war zwar lang und mühsam, aber das gehört wohl auch dazu. So singt Fats Domino in seinem Welthit “I’m Walking To New Orleans”

I’ve got no time for talkin‘
I’ve got to keep on walkin‘
New Orleans is my home
That’s the reason while I’m gone
Yes, I’m walkin‘ to New Orleans

Die Eindrücke dieser völlig überdrehten Stadt werden ihre Wirkung bei uns dauerhaft zeigen. Das sind gute Aussichten, vielen Dank an dich „Big Easy“.

Keep Swinging

Bertold Bischof

PS: Vielen Dank auch an meine wunderbare und stets geduldige Crew mit Reinhard, Uwe, Marc und Steffen. Es ist ein Vergnügen, mit euch diese Reise gemacht haben zu dürfen.

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