Dominik Kocholl vom YC Bregenz war einer der sechs auf der Vaquita und schildert seine Erlebnisse


19.3.2013 (dk) Unser Maximalspeed auf der Class 40 Yacht „Vaquita“ (Länge 40 Fuß – 12,19 Meter) lag bei knapp 25 kn, der Durchschnittsspeed die 12 Tage nonstop über den Atlantik: 10,78 kn. Die Etmale (00:00 bis 24:00 Uhr) betrugen drei Tage hintereinander 329 sm, 329 sm und 326 sm; das entspricht einem 24 Stunden Durchschnitt von über 13,70 kn. Im ideal gewählten 24 Stunden Zeitfenster werden noch mehr zurückgelegte Seemeilen zu finden sein. Surrende Ruderblätter, glatter Abriss am Heck (samt fluoreszierendem Plankton) und Instrumente, die laufend zwischen 18 und 22 Knoten anzeigen wurden rasch zur Gewohnheit, so dass auch die Sorge, bei stockdunkler Nacht unter asymmetrischem Spi vom Heck aus dem eigenen Urinstrahl unabsichtlich folgend nie mehr gefunden zu werden, nachließ. Ausführlichere Druckversion Yacht Reuve Blog LINK
12 Tage 1 Stunde und 37 Minuten. Das ergab den überlegenen Sieg bei der Traditionsregatta ARC nach gesegelter (line honours) und berechneter Zeit (sowohl in der RORC Racing Division 1 als auch in der Overall-Wertung). Es war damit gleichzeitig neuer Rekord für eine Yacht dieser Größe, den Rekord einer Maxi „Capricorno“ aus dem Jahr 2006 mit elf Tagen und 5 Stunden konnten wir sechs Mannschaftsmitglieder nicht brechen, jedoch fuhren wir die weiteste je bei dieser Regatta gemessene Distanz über Grund (ca. 3100 Seemeilen).
Zweite Yacht, die von einer italienischen Proficrew gesegelte Swan 80 Berenice, benötigte trotz der doppelten Länge knapp 10 % länger. Ebenfalls hunderte Seemeilen hinter uns kamen eine Pogo 50, eine JP 54 eine Knieriem 53 und eine Judel/Vrolijk 53 an.
Insgesamt nahmen über 230 Yachten an der Regatta teil. Unser erfolgreiches Team bestand aus dem großzügigen Eigner/Skipper Christof Petter, Offshore-Profi Andreas Hanakamp und der Kocholls ehemalige 49er Konkurrenten Udo Moser, Nico Delle-Karth (Olympiavierter bei den Olympischen Spielen in London 2012) sowie dem Tiroler Bordarzt und vielfachem Vaquita-Überstellungsskipper Martin Maier. Bis auf Nico und mich waren alle am Ende Teil des von Andreas Hanakamp geleiteten Team Russia Volvo Race Teams (insbesondere bei der Rückführung) und das dritte Mal beim ARC dabei. Ungewöhnlich für Jollensegler war die strategische Meldung vom Dienstag Vormittag, dass am Freitag gegen Mittag (unter bestmöglicher Ausnutzung des tiefdruckbedingten Winddrehers) gehalst werden würde.
Navigator und Organisator Andreas Hanakamp, der unsere bereits vor dem Start beschlossene Nordroute (oben in braun) in täglicher Stundenlanger Arbeit am Navigations-Notebook mit besondere Software (einer unserer Sponsoren) nach den neuesten Wetterkarten optimierte, war wachfrei gestellt, wir fünf wechselten uns nicht nur bei der Wache (bei der jeder meist alles machte) ab, wobei alle zwei Stunden einer zur Wache hinzukam und einer ging. Je nachdem ob zwei oder drei an Deck erforderlich waren hatte man 6 oder 4 Stunden (plus 2 h stand-by) Wache. Bei Manövern etc. oft mehr bis alle.
Da lediglich 2 kg privates Gepäck (neben der Segelbekleidung) erlaubt waren war neben uns, den Lebensmitteln und Reparaturzeug kaum etwas an Bord. Gesegelt wurde alles ohne Autopilot, die Gennakerschot wurde aus der Hand gefahren und verlangte oft jeden Wellensurf viele Meter Arbeit an der Schot – da sich mit der Beschleunigung der scheinbare Wind zuspitze, Stecker abzumildern waren und nicht zuletzt um die gar nicht gar so seltenen Sonnenschüsse zu vermeiden. Oft sah man kaum bis zum Mast, jedoch wurden die Segel nicht beleuchtet um dem jeweiligen Steuermann die Chance zu geben, die Wellenberge irgendwie auch optisch wahrzunehmen.
Tag und Nacht Vollgas, selbst wenn man sich das Vorliek des großen Gennakers mehr als Kontrastnuance der pechschwarzen Nacht einbildet denn noch irgendwie sieht – da waren die Vollmondnächte ein unwirklicher Traum vergangener Tage.
Zurück zur Wache: In der 6-Stunden Variante (drei an Deck) bedeutete das beispielsweise 14 Uhr bis 20 Uhr an Deck, dann kochen etc, schlafen, wieder an Deck zur Geisterstunde/Datumswechsel und sechs Stunden arbeiten bis 06:00 Uhr früh, Pause bis dann bis um Zehn. An Deck fühlt es sich teils wie in der Waschmaschine an, die gewaltigen Wellen bilden sich bei diesen Fetch‘ nicht immer nach demselben Muster – wenigstens ist das Wasser warm … Dennoch ist oft die volle Montur nötig.
Beim und nach dem Start wurden auf dem Weg in den Sturm zahlreiche Vorsegel durchgewechselt (Leichte Genua,A2, schwere Genua, Stagfock, Reffs, …), was zusammen mit der Kreuzerei nicht nur bei mir (sondern auch beim anderen Bugmann zu dieser Zeit) Seekrankheit hervorrief. So kam ich anfangs tagelang nicht aus dem HPX oder MPX-Zeugs raus und verlor Gewicht und Substanz. Wir segelten zwischen den Kanarischen Inseln ins Tiefdruckgebiet hinein um im Nordwestsektor-Rückseitenwetter dann auf Spikurs in den Speedrausch verfallen zu können …
Wie nach Tagen das Wetter eine erste Verschnaufpause ermöglichte wurden aus dem Großsegel ragende Latten und gebrochene Rutscher an der Mastschiene repariert. Später verabschiedete sich mit lautem Knall ein Gennakerfall-Schäkel – Fische haben wir allerdings auch mit dem Spi nicht gefangen …
 
Welche Delikatessen wurden verzehrt, wo doch Gewichtssparen angesagt war? Gegessen wurde mit entsalztem Meerwasser aufgekochte „Astronauten“- bzw Trecking-Nahrung, Riegel, Trockenfutter und unter Verwendung von Milchpulver zubereitetes Müsli. Schlafen war ein unentbehrlichses Vergnügen. Hier ein Bericht aus dem Yacht Reuve Blog LINK über die nicht immer trockenen Schlafplätze auf einer Iso-Matte und meist in einer von den drei vorhandenen, geteilten Schlafsäcken (es gab Zeiten, da war alles, alles, alles nass); zum Glück war manches eingeschweißt:
„Wie schläft man im Rennmodus?
ARC: Dominik Kocholl über Schlummer-Strategien an Bord der Vaquita
Geschlafen wird dauernd. Und ueberall. Zumindest sollte Schlaf die Erholug fuer die naechste Wache sicherstellen. Wie schlaelft es sich nun auf der Vaquita im Rennmodus? Im Extremfall verkeilt man sich auf den wilden Raumschotsritten zwischen Bordwand und und Leesegel, welches einen ungewollten Rauswurf bisher verhindert hat. Leichte Prellungen sind dabei bitte in Kauf zu nehmen.
Wichtig, ist die Fuesse stets Richtung Bug zeigen zu lassen. Dies nicht primaer aus Ruecksicht fuer den naechsten Schlafplatzbenutzer, sondern deshalb, um sich bei einem abrupteren Abbremsen eines der regelmaessigen Wellensurfs von ueber 20 Knoten, maximal die Beine zu brechen und die eigene Halswirbelsaeule unversehrt zu lassen.
Die drei Schlafsaecke fuer alle sechs sind hoffentlich nicht allzu feucht und nur etwas salznass, wie daheim vielleicht gerade die Strassen. Unterlage sind Proviant- und Seesaecke mit Ausruestug, sowie der eine oder andere Spi. Darauf eine der Isomatten. Notfalls ist je nach Feuchtigkeitslage auch im Oelzeug neben dem Niedergang – selbstverstaendlich wiederum in Luv – Nachtruhe zu finden.
Fuer mich ist ueberraschend wie wenig andere Schiffe angetroffen werden, an den Frachter vor einigen Tagen mag man sich kaum mehr errinnern. Fliegende Fische gibt es zu Hauf, Wale und Delphine selten – andere Segelyachten: Fehlanzeige. Dass andere mitsegeln zeigen die Positionsreporte. Zurueck zum Fliegen: Zwei Voegel und ein Flugzeug letzte Nacht waren die Ausbeute. Der Sternenhimmel und weite Horizont ist – insbesondere ohne Mond ueberwaeltigend – geht aber der Mond dann auf, ist die Freude gross, erleichtert er doch das schnelle Segeln sehr. Und dann wird wieder geschlafen und ein anderes Zweier- oder bei mehr Wind Dreierteam, haelt die Vaquita am laufen. Gute Nacht und gute Weiterfahrt, denen an Deck und uns allen.
Dominik onboard Vaquita“
Gegen Ende der Regatta versuchten uns dann noch Probleme mit dem Backbord-Ruderlager und laufend eindringendem Wasser zu stoppen, jedoch konnte auch das – zumindest behelfsmäßig – repariert werden. Der täglich steigende Wunsch nach einem kühlen Bier resultierte aus dem von Bord verbannten Alkohol (und fehlendem Kühlschrank), jener nach einem WC vom nicht immer wundervollen Thron auf dem unteren Relingsdraht am Heck …
Flaute bis Sturm, gewaltige Gewitterzellen, heftigste Regengüsse rundeten ein unvergessliches Gesamterlebnis in spartanisch-sportlicher Umgebung ab, nach so vielen Tagen in Sechssamkeit auf der schaumgekrönten Wasserwüste dann im Morgenlicht Martinique und St. Lucia zu sehen schien fast unwirklich und war wie der überwältigende Empfang durch die zahlreichen entgegenkommen Boote vom Zielhafen, die uns am Mittag zur Ziellinie begleiteten, wunderbar … Sie, das Fernsehen und die Fotografen kamen wegen uns, denn der nächste Konkurrent kam am darauffolgenden Vormittag … Danke an die gesamte Mannschaft und das Meer!!!
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